RechtSchuster, bleib' bei deinen Leisten - Zulassungsentziehung nach planloser Vertragsselbstgestaltung

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Wer als Vertragszahnärztin/-arzt vertragsgestaltend tätig wird, etwa um eine Kooperation zu gründen, hat sich ausreichenden juristischen Sachverstand zu beschaffen und sich ggf. um Beratung zu kümmern.

Begibt sie bzw. er sich ohne solche Beratung auf das Gebiet der privatrechtlichen Vertragsgestaltung und schafft – als Laie – eine widersprüchliche Vertragslage, so verletzt sie/er zumindest die Sorgfaltspflicht, die ihr/ihm als Vertragszahnarzt hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der gewählten Kooperationsformen obliegt.

 

Der Fall:

Der langjährig in verschiedenen Ehrenämtern der zahnärztlichen Selbstverwaltung tätige Kläger begann seine niedergelassene zahnärztliche Tätigkeit in einer Praxisgemeinschaft. Später änderte er den Zweck dieser Gesellschaft in eine überörtliche gemeinsame Berufsausübung mit mehreren MitgesellschafterInnen im Rahmen einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft (üBAG). In den Folgejahren änderte sich der Bestand der Gesellschafter und Gesellschafterinnen merhfach. Ferner wurde der Vertragszweck mehrfach erweitert und verändert. Am Ende gab es ein Dutzend Gesellschaftsverträge, die allesamt der Kläger selbst formuliert hatte und die sich teilweise widersprachen. Juristischer Hilfe hatte er sich nicht bedient.

Auf Antrag der zuständigen KZV entzog der Zulassungsausschuss dem Kläger die vertragszahnärztliche Zulassung. Der Vorwurf: Der Kläger habe gröblich gegen seine vertragszahnärztlichen Pflichten verstoßen. Er habe die Genehmigungen der üBAGs durch arglistige Täuschung erlangt, indem er bei Antragsstellung nicht alle für die Prüfung der Genehmigungsfähigkeit der üBAG erforderlichen Unterlagen, insbesondere die Praxiskaufverträge, vorgelegt habe. Der Kläger habe zudem vertragszahnärztliche Leistungen nicht peinlich genau abgerechnet, weil nicht alle Mitglieder der üBAGs tatsächlich in freier Praxis tätig gewesen seien, sondern verdeckte Angestelltenverhältnisse vorgelegen hätten. Darüber hinaus habe der Kläger gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen, indem er die anderen Mitglieder der üBAG angewiesen habe, Leistungen entgegen dem Wirtschaftlichkeitsgebot zu erbringen, um wirtschaftliche Vorteile zu erlangen (Zuweisung von Laborleistungen ausschließlich an sein eigenes Labor). Außerdem lägen weitere Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit den üBAGs vor.

Gegen die Zulassungsentziehung hat der Kläger Klage beim Sozialgericht erhoben. Das Sozialgericht wies die Klage ab. Dagegen legte der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ein.

 

Die Entscheidung:

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.09.2022 – L 7 KA 4/20, hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen und die Zulassungsentziehung bestätigt.

Die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung ist zu entziehen, wenn die betroffene Person vertragszahnärztliche Pflichten gröblich verletzt. Großes Gewicht kommt der Pflicht zu, vor Tätigkeitsbeginn einen statusbegründenden Verwaltungsakt der Zulassungsgremien zu erwirken. Denn es muss im vertragszahnärztlichen System zu jedem Zeitpunkt klar sein, welcher Zahnarzt und welche Zahnärztin Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen zu deren Lasten behandeln und Leistungen verordnen dürfen und ob insoweit ein Anspruch besteht, wegen der zahnärztlich erbrachten Leistungen an der Verteilung des Honorars durch die KZV beteiligt zu werden. Dem gleichzustellen ist die Pflicht, eine berufliche Zusammenarbeit mit anderen (Vertrags-) Zahnärztinnen und -Zahnärzten (nur) in der Form zu praktizieren und auszugestalten, wie sie sich aus den vertragszahnarztrechtlichen Bestimmungen ergibt. Im Interesse der Transparenz ist daher auch zu fordern, dass Vertragszahnärzte die maßgebenden Vertragswerke, die ihre berufliche Zusammenarbeit betreffen, so konzipieren, dass die Mitglieder, die Struktur und die Organisation der beabsichtigten Kooperation der Leistungserbringer von den Zulassungsbehörden, die zur Prüfung einer Genehmigung berufen sind, jederzeit nachvollzogen werden können. Im gleichen Interesse steht es, dass die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zusammenarbeit relevanten Verträge den Zulassungsbehörden vollständig vorgelegt werden.

Verstöße gegen diese vertragszahnarztrechtlichen Pflichten sind regelmäßig wegen ihrer vertrauenszerstörenden Tendenz als gröblich zu werten. So sind bei Erbringung und Abrechnung von Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzung der Leistungserbringung neben der Honorarrückforderung auch disziplinarische Ahndungen und der Entzug der Zulassung eröffnet.

Eine Verletzung dieser vertragszahnärztlichen Pflichten liegt (wie hier) vor, wenn eine vertragszahnärztliche Tätigkeit in einer üBAG organisiert und ausgeübt wird, die tatsächlich lediglich pro forma, also in der zugelassenen Form nur zum Schein besteht (hier u.a.: keine tatsächliche Zusammenarbeit in freier Praxis; nicht genehmigte Anstellungsverhältnisse; Zurechnung von Leistungen an Zahnärzte und Zahnärztinnen, welche die Leistungen nicht erbracht haben). Rechnet eine solche, nur formal bestehende üBAG-Leistungen ab, wird dadurch die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung gröblich verletzt.

Der Versuch, diese Pflichtverletzungen durch den Verweis auf laienhafte Gesellschaftsverträge zu entschuldigen, scheitert. Denn wer „diffus“, „laienhaft und planlos“ für Dritte (Behörden, Gerichte) unübersichtliche und teilweise widersprüchliche Verträge maßgeblich konzipiert (hier: Selbstgestaltung von Gesellschafts- und Praxiskaufverträgen) und (allein) durch dieses Verhalten eine Prüfung der Frage, ob die Kooperation dem Recht entspricht, massiv erschwert, begeht allein dadurch mit Blick auf die Bedeutung der Genehmigung eine eigenständige Pflichtverletzung.

Fazit:

Wer die Kosten für eine professionelle rechtliche Beratung und Vertretung im Zusammenhang mit der Gestaltung von Praxiskaufverträgen und Gesellschaftsverträgen vermeiden will, spart am falschen Ende und gefährdet jedenfalls bei komplexeren Sachverhalten unter Umständen sogar seine Zulassung.

Dr. Daniel Combé
CASTRINGIUS Rechtsanwälte und Notare