RechtWer darf Behandlungsentscheidungen treffen?

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Existiert bei erwachsenen Patienten, die ihre Angelegenheiten aufgrund Krankheit oder Behinderung nicht selbst regeln können, ein Bevollmächtigter oder vom Gericht bestellter Betreuer mit dem Aufgabenkreis „Gesundheitsangelegenheiten“, entscheiden diese über die Behandlungsmaßnahmen zum Wohle des Patienten. Aber was gilt, wenn eine Vollmacht nicht existiert und ein Betreuer (noch) nicht bestellt ist? Wer kann dann wirksam Behandlungsentscheidungen treffen?

Seit 1. Januar 2023 gibt es für verheiratete Paare das gesetzliche Ehegattenvertretungsrecht gem. § 1358 BGB. Liegen die Voraussetzungen des § 1358 BGB vor, kann der Ehepartner eine Behandlungsentscheidung treffen, auch wenn keine Vollmacht existiert. Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf den Umfang der Behandlung an. Voraussetzung ist, dass der Patient aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge nicht selbst besorgen kann. Dann ist grundsätzlich der Ehegatte berechtigt, in Untersuchungen des Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder (zahn)ärztliche Eingriffe einzuwilligen, Behandlungsverträge abzuschließen sowie Ansprüche, die dem Patienten aus Anlass der Erkrankung gegenüber Dritten zustehen, geltend zu machen. Die Ehegatten dürfen aber zum Zeitpunkt der Behandlung nicht getrennt leben. Dem (Zahn)Arzt darf auch
nicht bekannt sein, dass der vertretene Ehegatte (Patient) eine Vertretung ablehnt oder einen Dritten zur Wahrnehmung seiner Angelegenheiten ausdrücklich bevollmächtigt hat. Denn eine Bevollmächtigung geht auch dem Ehegattenvertretungsrecht vor. Es darf ferner auch kein Betreuer bestellt sein, in dessen Aufgabenkreis die fragliche Behandlung fällt.

 

Achtung

Die Berechtigung nach § 1358 BGB, Behandlungsentscheidungen zu treffen, endet, wenn die Bewusstlosigkeit oder Krankheit nicht mehr vorliegt oder mehr als sechs Monate seit deren Feststellung durch den (Zahn)Arzt vergangen sind. Das Ehegattenvertretungsrecht ist also zeitlich auf sechs Monate befristet. Zu beachten ist ferner, dass der (Zahn)Arzt, gegenüber dem das Vertretungsrecht ausgeübt wird, sich sowohl schriftlich versichern lassen muss, dass das Vertretungsrecht bisher nicht ausgeübt wurde und kein Ausschlussgrund vorliegt und er selber das Vorliegen der in § 1358 BGB genannten Voraussetzungen schriftlich bestätigen muss.

Abkömmlinge, sonstige Angehörige oder pflegende Personen aus Altenpflegeheimen sind keine gem. § 1358 BGB berechtigten Personen. Ist kein Ehegatte vorhanden, muss dann - sofern keine Vorsorgevollmacht besteht -, durch das Gericht ein Betreuer oder eine Betreuerin für Gesundheitsangelegenheiten bestellt werden, die zur Einwilligung in medizinische Behandlungen berechtigt sind. In dringenden Fällen kann ein Notbetreuer zu bestellen sein.

Ist ein Patient oder eine Patientin unerkannt einwilligungsunfähig, hängt die Wirksamkeit des Behandlungsvertrags von der Genehmigung durch den Bevollmächtigten bzw. Betreuer ab. Handelt es sich um eine medizinische Maßnahme, die über das dem Wohl des Patienten dienende notwendige Maß hinausgeht, kann der Bevollmächtigte bzw. Betreuer die Genehmigung unter Umständen insoweit ablehnen. Dem Behandelnden steht dann insoweit auch kein Vergütungsanspruch zu.

Dr. Daniel Combé und Niklas Kohmüller
CASTRINGIUS Rechtsanwälte & Notare