Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren Zahnarzt oder AnwaltBehandlung durch gewerbliche Aligneranbieter

Anfang Dezember 2023 mussten Tausende von Patienten des SmileDirectClubs feststellen, was es bedeutet, wenn ein Unternehmen die Entscheidung trifft, ein nicht mehr lukratives Angebot einzustellen. Auf der Homepage findet sich auf die Frage: „Steht mein behandelnder Zahnarzt zur Verfügung, um meine Behandlung abzuschließen?“ die lakonische Antwort: „We apologize for the inconvenience, but aligner treatment is no longer available through the SmileDirectClub platform.“ Man solle sich an seinen behandelnden Zahnarzt wenden – wenn es einen solchen denn gibt. Das British Dental Board brachte das Problem auf den Punkt: Der Kollaps des Telemedizin-Riesen zeigt, wie Unternehmen, die in einem regulatorischen schwarzen Loch unterwegs sind, ihre Patienten zurücklassen.

 

Einstellen GeschäftsbetriebSmileDirectClub

Zwar hat der SmileDirectClub bereits vor einiger Zeit die „strategische Entscheidung“ getroffen, seinen Geschäftsbetrieb in Deutschland einzustellen. Es gibt ja aber noch andere Anbieter. Der größte ist dabei nach dem Zusammenkauf mit PlusDental die Straumann- Tochter DrSmile. Beide Unternehmen verfolgt seit langem der Vorwurf systematischer Standardunterschreitungen. In einer gemeinsamen Erklärung von 31 kieferorthopädischen und zahnärztlichen Organisationen aus 25 Ländern Europas wurde bereits im Jahr 2021 klargestellt, dass unter anderem Röntgenuntersuchungen und persönliche Behandlungskontrollen unverzichtbar für eine standardgerechte kieferorthopädische Behandlung sind. Behandlungsplanungen sollten ein nachvollziehbares medizinisches Konzept erkennen lassen. Das Landgericht Düsseldorf machte 2019 – DrSmile wollte Kritik an seinen Behandlungen verbieten lassen - seine Haltung ganz deutlich. Der Vorwurf von Standardunterschreitungen sei keine unzulässige Schmähkritik, sondern beschreibe „wahrheitsgemäß das Geschäftskonzept“.

Es bedarf gerade in der Veröffentlichung einer Zahnärztekammer keiner näheren Erläuterung, dass kieferorthopädische Behandlungen, bei der Zähne im und durch den Zahnhalteapparat bewegt werden, ganz erhebliche Gefahren für die Patienten mit sich bringen, wenn diese Bewegungen im Blindflug und ohne echten Plan durchgeführt werden. Dementsprechend beschäftigen derzeit zahlreiche Schadenersatzforderungen gegen die unterschiedlichen Gesellschaften von DrSmile, aber auch gegen die Partnerzahnärzte die Gerichte und Schlichtungsausschüsse in Deutschland.

 

Rechtliche BedenkenDrSmile

Aber auch jenseits möglicher Schadenersatzforderungen begegnen dem Geschäftsmodell rechtliche Bedenken. Ein Gutachten des Inhabers des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Medizin- und Gesundheitsrecht an der Bucerius Law School in Hamburg, Prof. Dr. Jens Prütting wirft Fragen auf, ob DrSmile und seine Partnerzahnärzte gegen Kartellrecht und Krankenhausrecht verstoßen. Auch berufsrechtliche und strafrechtliche Delikte hält das Gutachten für möglich.

Die Zahnärztekammer Bremen nimmt insbesondere die Gefahren für die Patienten sehr ernst. Denn es sind mindestens zwei Zahnärzte im Bremer Kammerbereich für DrSmile tätig. Die Delegiertenversammlung hat deshalb im Dezember 2023 eine Resolution verfasst, mit der sie die Vorgehens- und Verfahrensweisen von DrSmile kritisiert und weiterhin überwachen wird.

 

In Beobachtung durch dieSenatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz

Neben der Überwachung der beiden beteiligten Bremer Zahnärzte bedarf es auch einer aufmerksamen Beobachtung des Unternehmens bzw. der beteiligten Gesellschaften. Hierzu wurden bereits Gespräche mit dem zuständigen Referat in der Behörde der Senatorin für Gesundheit, Frauen und – hier passt der Amtszuschnitt sehr gut – Verbraucherschutz geführt. Auch dort werden potenziell gesundheitsgefährdende Geschäftsmodelle mit großer Sorge beobachtet. Die Behörde stimmt sich zu solchen Angeboten regelmäßig auch mit den zuständigen Behörden anderer Bundesländer ab.

Das Einhalten von Regeln – dass wissen wir Zahnärzte aus manchmal leidvoller Erfahrung – ist aufwändig und kostet Geld. In Polen wurde, wie der dortige Verbraucherschutz berichtet, der öffentliche und rechtliche Druck auf DrSmile zu groß. Zahlreiche Betroffene hatten über Gesetzesverstöße beim Vertragsabschluss berichtet. Statt dem „rechtlichen Druck“ nachzugeben, traf DrSmile im Jahre 2023 die „strategische Entscheidung“, seinen Geschäftsbetrieb in Polen einzustellen. Danach sind Behandlungen durch gewerbliche Aligneranbieter also nicht nur für Patienten, sondern auch für den Eigentümer Straumann mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden.

Dr. Knut Thedens,
Vizepräsident und Referent für Kieferorthopädie